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Nürnberg

Früh am Morgen fährt mein Zug in den Nürnberger Hauptbahnhof ein. Es ist warm, fast frühlingshaft. Und ich bin ganz allein. Agnes wird erst später ankommen. Also gehe ich durch die Unterführung in die Altstadt. Nürnbergs Stadtbild ist geprägt von der langen, roten Stadtmauer, die mir das Gefühl gibt, das Mittelalter sehr nahe um mich zu haben. Ich gehe die Königstraße entlang, flaniere über das Kopfsteinpflaster entlang der alten Häuser, in denen sich diverse Cafés und Geschäfte befinden. Die meisten sind noch nicht geöffnet. Auf den Plätzen, vor den kleinen, pittoresken Brücken, die über die Pegnitz führen, machen Markthändler ihre Stände auf, legen Gemüse und Obst in Kisten aus, Maronen, Brote, alles. Ich gehe eine kleine Gasse entlang und schon bin ich auf dem Hauptmarkt. Dort steht der Schöne Brunnen, eine Sehenswürdigkeit der Stadt, die im 14. Jahrhundert erbaut wurde, gleich neben dem Rathaus. 19 Meter hoch soll er sein – so groß erscheint er mir jedoch gar nicht. Viel Gold ist zu sehen, in seiner Form wurde eine gotische Kirchturmspitze imitiert. Mir gefällt er. Man kann lange die vielen Skulpturen und ihre enthaltenen Geschichten studieren, zum Beispiel die Figur des Ptolemäus, der die Astronomie vertritt. Um das in das Brunnengitter eingearbeitete goldene Ringlein ranken sich Sagen. Dreht man es, dann soll es hohen Kindersegen verheißen.
Ebenfalls auf dem Hauptmarkt befindet sich die berühmte Frauenkirche, deren Bau von Kaiser Karl IV. im 14. Jahrhundert veranlasst wurde. Ich bestaune die Westfassade, die gotische Baukunst und will dann hinein, doch als ich die Tür öffne, klingt mir schon Gesang entgegen. Ein Gottesdienst wird gerade gefeiert. Schnell ziehe ich den Kopf zurück. Da will ich nicht stören.
Dann eben weiter! Mein Ziel ist eigentlich die Kaiserburg, die nicht weit von hier liegt. Der Stein der Feste leuchtet im Licht der Morgensonne und der kleine Berganstieg verleitet mich gar dazu, meine Jacke zu öffnen, so warm wird mir. Auch hier ist niemand zugegen, was mich ungemein freut. Allein trete ich in den Burghof, lehne mich auf die Burgmauer und blicke über die spitzen Dächer der Altstadt. Der warme Wind weht mir die Haare aus dem Gesicht. Ich genieße die Aussicht noch ein wenig, dann trete ich den Rückweg zum Bahnhof an. Ich treffe Agnes in der Eingangshalle. Zusammen schlendern wir wieder in die Stadt. Agnes möchte gerne in einen Comicladen. Dort stöbern wir durch die Bücher – und plötzlich stehen Lola und Mo vor uns. Wir umarmen uns. Lassen uns noch etwas durch den Laden treiben und brechen dann zu einem Mittagsmahl auf. Lola empfiehlt das Côcô, wo wir Pho, vietnamesische Nudelsuppe essen, eine Bowl und Sushi. Agnes rafft beinahe ein tödliches Chiliflöckchen dahin, doch sie erholt sich wieder. Danach gehen wir zum Katzentempel, wo wir Kaffee trinken und vergeblich versuchen, eine der Katzen zu streicheln, doch sie sind alle sehr schläfrig und zurückgezogen – und ihre Ruhe wollen wir selbstverständlich nicht stören. Es reicht auch, sie in ihrer Katzenanmut zu bewundern, was ihnen sichtlich gefällt.
Und so klingt der letzte Tag des Jahres in Nürnberg aus. Wir nehmen gemeinsam eine U-Bahn zu Lola und Mo, wo wir Silvester feiern werden – unter Freunden, wie es besser nicht sein könnte.

 


Reichtum ist da ein selt'ner Gast,
wo man täglich schlemmt und praßt,
denn bei dem Saufaus trifft man eben
ein wüst' und ungeregelt' Leben,
draus bitt're Armut auferwachs' –
das sagt von Nürnberg euch Hans Sachs.

(Hans Sachs)