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Bratislava

Draußen an Deck werden wir pitschnass von der Gischt. Der Wind flattert unsere Haare wild durcheinander, während wir auf der Donau fahren. Wien haben wir hinter uns gelassen, Bratislava, die Hauptstadt der Slowakei liegt vor uns. Nachdem mich eins der nervigen Kinder in der Reihe hinter uns noch erfolgreich mit Zwieback Krümeln vollgebröselt hat, die sich nun überall auf meinem Kopf und den Armen befinden, legen wir endlich an. Es ist schwer zu sagen, was es ist – aber die Stadt versprüht ein völlig anderes, östlicheres Flair als Wien. Bratislava ist eine der jüngsten Hauptstädte Europas. Früh haben hier schon Kelten und Römer gesiedelt.
Wir lassen uns einfach treiben, und unser Weg (oder ist es doch Agnes?) führt uns zuerst zur gotischen Kathedrale des Heiligen Martin. Hier wurden zwischen 1563 und 1830 zahlreiche Könige gekrönt. Unter anderen auch Maria Theresia. Leider können wir nicht hinein, wir müssen später wiederkommen. Es geht nun hinauf, und bei der gnadenlosen Sonne kommen wir ordentlich ins Schwitzen. Wir werden durch die herrliche Aussicht entschädigt. Unter uns fließt ruhig die Donau, über die sich die „Neue Brücke“ schwingt. Nahe dem gegenüber liegenden Flussufer steht zuoberst auf dem Brückenpfeiler in 80 Meter Höhe ein Restaurant, das einem Ufo ähnelt. Die Aussicht von dort wäre sicher sagenhaft, doch die Preise im Restaurant würden wahrscheinlich unser Budget sprengen. Schade! So laufen wir weiter, hoch zur viertürmigen, weißen Feste der Hauptstadt. Im 18. Jahrhundert hatte die Burg ihre Blüte, als Maria Theresia sie zum Königssitz machte und dafür renovierte. Die Stadt wirbt überall damit, dass jüngst eine aufwendige Restauration stattgefunden hat und das Schloss nun in voller Pracht steht. Es ist in jedem Fall ein wahrer Koloss. Davor steht das Reiterdenkmal von Svatopluk I., einem frühen Fürsten von Mähren, heute Teilgebiet der Slowakei. Ich finde, er sieht ein wenig zerfleddert aus, wie ein Don Quijote aus dem Bilderbuch. Er reckt seine Waffe in die Höhe, sein Pferd bäumt sich auf, und er blickt, wie auch wir, auf die Donau. Wir sehen uns den Innenhof der Burg an und umrunden sie, hin zum barocken Garten. Er ist wunderschön. Das kleine, grüne Heckenlabyrinth wurde mit Blumen in allen Farben bepflanzt. Wir stehen auf der obersten Stufe der weißen Treppe und ich stelle mir vor, wie es gewesen wäre, hier in der damaligen Zeit mit einem barocken Kleid herumzuspazieren – mit sicherlich weniger Touristen als heute. Kleine pummelige Statuen stehen überall und blicken auf uns herab.
Der Hunger treibt uns wieder hinab. Wir möchten gerne eine slowakische Spezialität zu Mittag essen: die Brimsennocken, im Grunde Spätzle aus Kartoffelteig und Schafskäse mit Speck. Mir ist ein wenig übel, ich weiß nicht wovon, vielleicht durch die die Hitze. Deswegen wage ich mich nicht an die Brimsennocken, kann aber bei Marlene kosten; – sie schmecken wirklich ausgezeichnet. Der Schafskäse ist nicht so penetrant, wie ich es erwartet hätte, eher mild. Üppig ist es allemal, auch Marlene schafft ihre Portion nicht. Wir spazieren nach dem Essen zum Marktplatz mit seinen bunten Häuserfassaden und sehen uns die umliegenden Häuser an. Überall verzweigen sich die mittelalterlich schmalen Gässchen und führen uns zu neuen, überraschenden Orten. Wir teilen uns auf. Marlene und Paul erkunden weiter das Zentrum, während Agnes und ich noch einige alte Kirchen besuchen. Unterwegs beobachten wir eine rote Katze, die in ein verfallenes Haus verschwindet und uns aus dem Dunklen mit weißen Augen misstrauisch ansieht. Nun hat auch der Dom geöffnet. Im Innenraum ist es angenehm kühl. Die Vergoldungen in der Kirche sind überwältigend.
Wenig später treffen wir die anderen wieder im Schokocafé Maximilian. Man fühlt sich hier in die Zeit des Jugendstils zurückversetzt. Sehr gemütlich und bequem. Ich möchte für eine Freundin die Poster fotografieren. Doch das ist leider verboten.
Und dann? Die Sonne steigt immer höher. Wir suchen Schatten. Wir flanieren am Donauufer entlang, doch die Sonne brennt hier zu stark vom Himmel und wird zusätzlich durch das Wasser reflektiert. Also zurück in die Stadt, in die schattigen Gässchen. Doch auch dort brennt es uns gnadenlos von oben auf die Köpfe. Also: letzte Station für heute – das Slovak Pub. Paul will unbedingt noch slowakisches Bier verkosten. Wir haben da natürlich nichts dagegen einzuwenden. Das Pub wirkt traditionell und alt, seine Bewertungen sind gut. Innen ist jedenfalls genug Platz und es ist herrlich kühl. Wir setzen uns in eine Ecke, trinken dunkles Bier. Und schon ist es Zeit fürs Abendessen. Mittlerweile geht es mir besser. Agnes und ich teilen uns eine Probierplatte mit allerlei slowakischen Spezialitäten: Brimsennocken, Nocken mit Sauerkraut und Speck und anderen Teigtaschen. Es ist viel zu viel und viel mehr, als auf der Karte stand. Wir schaffen nicht einmal die Hälfte, quälen uns immer mehr. Aber köstlich ist es allemal!
Ein einziger Tag reicht für Bratislava freilich nicht, doch wo um Himmels willen sollen wir mehr Zeit hernehmen? Bald schon müssen wir zum Bahnhof laufen – zurück fahren wir mit dem Zug. Wie schnell man von hier nach Wien kommt! Und wie schön die Landschaft entlang der Donau ist, in dunklen Grüntönen, wie groß und hügelig die Waldflächen. Dann geht die Sonne unter und taucht alles in ein rosafarbenes Licht.

 


Das Schöne bewundern,
Das Wahre behüten,
Das Edle verehren,
Das Gute beschließen;
Es führet den Menschen,
Im Leben zu Zielen,
Im Handeln zum Rechten,
Im Fühlen zum Frieden,
Im Denken zum Lichte;
Und lehrt ihn vertrauen
Auf göttliches Walten
In allem, was ist:
Im Weltenall,
Im Seelengrund.


(Rudolf Steiner)