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Kainach

 

Ich setze meine Kopfhörer auf und verlasse das Haus, an diesem letzten Frühlingstag im Jahr. Einfach mal alleine weg, die Welt beginnt vor der Haustür. Ich weiß, wohin ich will, ich kenne den Weg, ich gehe los.
Die Treppen hinab, den Feldweg entlang, nur ein kleines Stück. Dann bleibe ich stehen, kehre ich um. Habe ich auch die Terrassentür geschlossen? Habe ich.
Mit leichterem Herzen gehe ich nun meiner Wege. Es ist früh am Abend, die Wiesen und Felder zeigen sich in sattem Grün. Der Himmel blau, die Wolken weiß. Eine sanfte Brise streichelt mein Gesicht. Wie gut die Luft hier ist. An der Weggabelung vorbei am altvertrauten einsamen Baum, der dort mitten im Acker steht. Seit ich denken kann.
Bald erreiche ich die nächste Siedlung. Hier ist nichts allzu weit weg. In der Ferne sehe ich die kleine Kirche, in der wir schon so viel gespielt haben. Ich aber gehe weiter geradeaus, den Hang hinab, hinein in den Wald. Hier ist es dunkler, die Luft noch frischer, feuchter. Wie herrlich. Hinter den Felsen könnte jederzeit eine Elfe hervorspringen, denke ich. Diese Wälder sind magisch, voller Moos und voller Geheimnisse. Weiter, es ist nur ein kleines Stück durch den Wald. Wie schön es wäre, einfach nichts zu haben, denke ich. Keinen Job, kein Haus, einfach gehen zu können, wann und wohin ich will. Gerade ist es so. Ich habe nichts dabei außer meinem Handy und den Kopfhörern, den Schlüssel in der Jackentasche. Die Sonne scheint. Nichts, denke ich, ist wirklich schwer.
Der Weg führt durch das wunderbare Kaiserbachtal. Alles blüht, grünt, ich kann mich kaum sattsehen an dieser prächtigen Welt. Und dann packt es mich. Jetzt querfeldein. Hier geht ein Trampelpfad ab ins hohe Gras, und ich folge ihm leichtfüßig. Ins hohe Gras, immer weiter ins Gestrüpp, bis es nicht mehr weitergeht. Ich kehre doch um, zurück auf den Weg – ich fühle mich leicht wie eine Feder. Alle Gedanken habe ich hinter mir gelassen, während ich durch ein schattiges Stück Wald gehe. Dann bleibe ich stehen. Ich habe da so ein Gefühl. Sehe an mir hinab. Heute trage ich eine helle Hose. Und dann sehe ich sie. Zecken! Wie schrecklich!
Ich muss in ein Nest geraten sein. Ich pflücke sicher ein Dutzend von den Beinen, den Jackenärmeln, den Händen.
Meine Leichtigkeit ist weg. Ich will heim, duschen, alles waschen. Blödes, hohes Gras. Ich gehe schneller, halte immer wieder an, um meine Kleidung und Haut zu überprüfen, doch ich finde nichts mehr. Schon erreiche ich Kainach. Ich biege sofort links ab und stapfe den Berg hinauf, der zurück nach Wonsees führt. Überall juckt es mich jetzt und zwickt. Ich finde Käfer, Fliegen und Dreck, nichts weiter.
Ist doch egal, sage ich mir, ich würde auch eine Zecke überleben.
Danach geht es sich wieder etwas leichter, trotzdem weiterhin in raschem Tempo. Das Schlendern ist vorbei. Die Sonne knallt mir auf den Kopf, ich ziehe die Jacke aus. Es ist Dienstagabend, niemand ist außer mir unterwegs. Ungestört gehe ich meiner Wege, vorbei an Wiesen und Feldern, durch Stücke von Wäldern, und dann bin ich wieder da. Stehe vorm Garten, krame den Schlüssel aus der Tasche und lasse mich ein. Ich habe noch zu tun.


Wie ekel, schal und flach und unersprießlich
Scheint mir das Treiben dieser Welt!


(William Shakespeare)