Unser nächster Halt war das Celebrity-Hotel (waren wir etwa die Celebrities …?) im Ziuzhaigou-Nationalpark auf ca. 2000 Meter Höhe. Nachmittags kamen wir dort an. Der Ziuzhaigou hat die höchste Hoteldichte der Welt. Überall standen riesige Bauten herum und warteten auf Gäste. Zum Teil vergebens, denn viele Hotels waren leer. Nachdem wir eingecheckt hatten, besuchten S. und ich die Shopping-Area, wo wir – halleluja! – Kaffee kaufen konnten. Wie er unsere müden Geister belebte!
Wir aßen abends im Hotel. Wieder einmal gab es Verständigungsprobleme. Dieses Mal servierte man uns leider kaltes Hühnchen, das schrecklich scharf war und vor allem aus Knochen bestand. Offensichtlich war es uns nicht gelungen, alle Missverständnisse bei der Bestellung auszuräumen. Auf unserem Zimmer lauschten wir dem Regen, der gegen das Fenster prasselte.
Gerne erinnere ich mich an das chinesische Frühstück. Wie sollte mir jemals wieder deutsches Frühstück schmecken? Das schwere Brot, glibberiges Joghurt mit Müsli …
An diesem Morgen gab es Baozi, das sind gedämpfte Teigtaschen, die mit einem süßen Mus gefüllt sind. Dazu warme Milch, weißes, weiches Brot und verschiedene zarte Küchlein. Ach, welch ein Genuss!
Um acht Uhr trafen wir Yong an der Rezeption. Zusammen fuhren wir mit dem Taxi zum Eingang des Ziuzhaigou. Während Yong die Tickets holte, umklammerten wir unsere Regenschirme und staunten über die vielen chinesischen Touristen; viele so gar nicht für das schlechte Wetter gewappnet. Europäer sahen wir insgesamt sechs an diesem Tag, mehr nicht.
Im Nationalpark fuhren regelmäßig Busse zu den Sehenswürdigkeiten. Wir tuckerten durch das riesige Tal, vorbei an wunderschönen Seen, durch die Kulisse der vom Regen dampfenden Berge hindurch. Immer wieder stiegen wir aus, um zu wandern. Dabei vergaßen wir nicht, fleißig zu fotografieren und die von S. geliebten Orchideen zu suchen. Die Orte trugen klangvolle Namen: Rhinozeros-See, Spiegel-See, Fünf-Blumen-See, Panda-See und Bambus-See. Am Ende des Tals gelangten wir zum Fünf-Farben-Teich, der so unglaublich leuchtete! Und dann die Wasserfälle: Wir sahen den Shu Zeng Wasserfall, den Nuo Ri Lang Wasserfall, die Pearl Shoals (Perlenschwärme) und den Arrow Bamboo Wasserfall (Pfeil und Bambus).
Unterwegs begegneten uns zahlreiche Orchideen – die Waldvögelein –, und eine in meinen Augen wenig ansehnliche, aber von S. zuvor noch nie gesehene Nestwurz, über die er sich sehr freute. Erst im Nachhinein merkten wir, dass unsere Waldvögelein auch eine neue Art für uns darstellten. Es waren nämlich nicht die schwertblättrigen gewesen, sondern die erecta, die erhabenen Waldvögelein.
Ich genoss es, den ganzen Tag an der frischen Luft zu sein und immer wieder Unbekanntes zu entdecken.
Vor dem Abendessen graute uns etwas. Wir hatten die Sprachschwierigkeiten am gestrigen Abend und das verunglückte Essen noch in schlechter Erinnerung. Uns fiel ein Stein vom Herzen, als wir Yong und unseren Fahrer im Restaurant trafen. Mit Hilfe unserer chinesischen Freunde wurde das Feinste vom Feinen aufgetafelt: Reis mit Tofu, Bohnen mit Rind, Hühnchen mit Chili, Lauch und Erdnüssen und Schweinefleisch mit Gemüse.
Am nächsten Morgen warfen wir unsere Sachen ins Auto und fuhren weiter.
„Abenteurer, wo willst du hin?“
Quer in die Gefahren,
Wo ich vor tausend Jahren
Im Traume gewesen bin.
Ich will mich treiben lassen
In Welten, die nur ein Fremder sieht.
Ich möchte erkämpfen, erfassen,
Erleben, was anders geschieht.
Ein Glück ist niemals erreicht.
Mich lockt ein fernstes Gefunkel,
Mich lockt ein raunendes Dunkel
Ins nebelhafte Vielleicht.
(Joachim Ringelnatz)