· 

Chengdu

Im Mai 2017 flog ich mit S. nach China. Wir starteten mit dem Flugzeug in Frankfurt und landeten nach neuneinhalb Stunden Flugzeit in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas. Während des Flugs hatte uns ein pummeliger Pandabär auf dem Instruktionsvideo gezeigt, was man in einem Notfall alles falsch machen konnte: Nicht in die Sicherheitsweste passen, weil man zu dick ist, nicht an die Luft-Maske kommen, weil man zu klein ist, das Bord-Menue falsch herum lesen und so weiter. Auf dem Flughafen Chengdu gelandet, war ich doch vor dem Visum Check ziemlich aufgeregt. Alles ging gut und erleichtert sah ich vor dem Eingang zum Flughafen auf einem Schild meinen Namen. Herr Zhang, der Schildträger, der jünger als ich aussah, begrüßte uns in fließendem Deutsch. Herr Zhang führte uns zu einem schwarzen PKW, der darauf wartete, uns in unser Hotel zu fahren. Der Chauffeur war ein älterer Chinese, der uns kurz musterte und während der Fahrt kein Wort sprach. Dafür erzählte uns Herr Zhang allerlei Wissenswertes oder was er dafür hielt, über Chengdu. Kaum im Hotel angekommen, checkten wir ein und gingen dann mit unserem Tour-Guide frühstücken. In Chengdu war es im Mai mit 26 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit fast unerträglich schwül. Der Frühling war jedoch die beste Reisezeit, denn im Sommer war ständig mit wenigstens 38 Grad zu rechnen. Die Hochhäuser sprossen nur so aus dem Boden, Luxusbauten standen direkt neben heruntergekommenen Wohnbaracken. Die Straßen verstopft mit Luxusautos, klapprigen Taxis, Fahrradfahrern und Fußgängern. Überall Schnattern, aufgeregtes Geplapper und laut schreiende Ladenbesitzer, die ihre Ware anpriesen. Herr Zhang führte uns noch ein Stück in die Stadt hinein, ehe er sich verabschiedete. S. und ich besuchten den nahe gelegenen Soldatenpark. Viel Grün und Ruhe umfingen uns. Pavillons, ein Bächlein und ein See voller bunter Boote. Gruppenweise übten Menschen (meistens Männer und Frauen getrennt) überall Tanz- oder Kampfschritte zu entspannender chinesischer Musik – synchron, versteht sich. Yin und Yang wurden in Einklang gebracht. Körper und Geist ausbalancieren, mit sich selbst stets im Einklang leben. Davon träumte ich manchmal auch. S. und ich waren angetan von der friedvollen Atmosphäre, dem fremden Charme des Ganzen. Während wir unseren Gedanken nachhingen, spuckte plötzlich ein älterer Herr verschleimt schnaufend vor uns in den Garten.

Wir kehrten in unser Hotel zurück, weil der Jetlag seinen Tribut forderte. Der Jetlag – und diese laute, schrille Millionenstadt mit ihren überbordenden Eindrücken.

 

Am nächsten Tag standen wir um sechs Uhr auf, um im Hotel zu frühstücken. Ein nettes Milchbrötchen lachte mich an und als ich es mit Marmelade bestrichen essen wollte, stellte es sich als fast ungenießbar scharf heraus. Um 7:30 Uhr brachen wir zu einem Besuch bei den berühmtesten Einwohnern Chengdus, den Pandabären auf. Unser erster Weg führte uns zur Panda-Aufzuchtstation. Die Fahrt durch das riesige Chengdu dauerte endlos lange. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht. Der Park bewirtete 180 Pandabären, darunter nicht nur die schwarz-weißen, sondern auch die roten, etwas kleineren Katzenbären. Die kleinen Bären tollten ganz oben in den Baumkronen herum. Am frühen Morgen hielten sich die Besucherzahlen in Grenzen, doch je weiter der Tag fortschritt, desto mehr Menschenmassen kamen hereingeströmt. Es war ein Erlebnis, die niedlichen Pandas aus großer Nähe beobachten zu können: beim Essen, Schlafen, Spielen. Sogar Einjährige sahen wir, die noch sehr klein waren – und die richtigen Babys (davon gab es genau zwei), die gerade mal so groß wie meine Faust waren. In freier Wildbahn verstoßen Panda-Mütter gewöhnlich das schwächere Junge und kümmern sich nur um das Stärkere. Anders in der Aufzuchtstation: Bambus in Hülle und Fülle, ein Panda-Leben wie im Paradies! Hier wurde nicht selektiert. Überall schrien große, schillernde Pfauen, die uns stolz von oben herab musterten.   

 

 

Einst wollte ein Meister

gerade zu einer Darlegung anheben,

als ein Vogel zu singen begann.

Der Meister sagte nichts,

und alle lauschten dem Vogel.

Als dieser verstummte,

sagte der Meister,

die Darlegung sei bereits erfolgt –

und ging seiner Wege.

 

(Zen-Weisheit)